In den Texten auf dieser Seite sind viele Zitate, meist jüdischer Autoren, enthalten. Um die Lesbarkeit der Texte zu verbessern, wurde hier auf Quellenangaben verzichtet. Alle Texte sind dem Artikel „Grundlagen“, der in der Rubrik „Download“ steht, entnommen. In diesem Artikel sind auch sämtliche Zitate und sonstige Anmerkungen mit regelgerechten Quellenverweisen und einem vollständigen Literaturverzeichnis zu finden. Nicht mit der Angabe eines Urhebers versehene Texte stammen vom Autor dieser Abhandlung.
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Mit der Teilnahme an dem Projekt #beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst soll, zunächst bei den Lehrer*innen unserer Kirche, darüber hinaus bei den Kindern in den Unterrichten und in den Gemeinden ein wirklich christliches Verhältnis zu unseren jüdischen Schwestern und Brüdern entwickelt werden. Christen müssen Juden verstehen lernen – und umgekehrt.
Jüdische Frauen in Gemeinde und Gesellschaft
Wenn hier von Juden gesprochen wird, sind nicht nur jüdische Männer, sondern auch jüdische Frauen gemeint. Auf den ersten Blick scheint die jüdische Geschichte und Gegenwart zwar von Persönlichkeiten männlichen Geschlechts geprägt zu sein, es gab jedoch schon in der biblischen Erzählung bedeutende und einflussreiche Frauen, zum Beispiel Sara, Rebekka, Rut oder Esther. Wie sehr das Familien- und Privatleben im Judentum durch starke Frauen geprägt wurde und wird, wird – wie auch in anderen Kulturen, Religionen und Gesellschaften – weitgehend verborgen bleiben. Die Position der Frau in den extrem konservativen Bereichen (ultraorthodox) des Judentums ist nicht typisch für das Judentum der Gegenwart. Deshalb hier ein kurzer Exkurs über jüdische Frauen in Gemeinde und Gesellschaft:
Das jüdische Gesetz befreit Frauen von allen Geboten, die an eine bestimmte Zeit gebunden sind. Damit wird den Realitäten des Lebens Rechnung getragen.
In der Gesellschaft und in jüdischen bzw. christlichen Gemeinden gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen „jüdisch“ und „nicht-jüdisch“, wenn es um die Bedeutung von Frauen und deren Gestaltungsmöglichkeiten geht. Im Klartext: Es gibt christliche Konfessionen und Gemeinden, in denen Frauen in alle Funktionen und Ämter berufen werden können und es gibt jüdische Richtungen und Gemeinden, in denen Frauen in alle Funktionen (Ämter nach christlicher Definition gibt es im Judentum nicht) berufen werden können und berufen werden. Es gibt christliche Konfessionen und jüdische Richtungen und Gemeinden, in denen die Berufung von Frauen (noch) nicht oder nur teilweise möglich ist.
Etwa parallel zu der Emanzipation der Frauen in den westlich geprägten Staaten treten seit der Aufklärung im 18./19. Jahrhundert auch jüdische Frauen in der Öffentlichkeit auf. Frauen erhielten das Wahlrecht und die Möglichkeit zu universitärer Bildung, beides wurde natürlich auch von jüdischen Frauen genutzt.
Hier sollen nur wenige Namen bedeutender jüdischer Frauen genannt werden, die Auswahl ist spontan und in keiner Weise vollständig oder repräsentativ: Dem Hannoveraner fallen natürlich sofort die Namen Hannah Arendt (Philosophin, Politikwissenschaftlerin) und Cora Berliner (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin) ein, der Techniker denkt an Lise Meitner (Physikerin). Aus dem Schulunterricht sind die Namen Else Lasker-Schüler (Schriftstellerin), Rosa Luxemburg (Politikerin) und Anna Seghers (Schriftstellerin) noch präsent. Golda Meïr, die energische Premierministerin Israels, und Ruth Bader Ginsburg, die kürzlich verstorbene Richterin am Supreme Court der USA mit ihrem beständigen Ruf nach „Gerechtigkeit“ (statt nur nach „Recht“) und ihrem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit, werden unvergessen bleiben.
Regina Jonas war die erste und „bis in die siebziger Jahre einzige ordinierte Rabbinerin“ aus dem deutschsprachigen Kulturkreis. Sie wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert. Aus ihrer dortigen Zeit ein berührendes Zitat: „Unser jüdisches Volk ist von Gott in die Geschichte gesandt worden als ein „gesegnetes Volk“. Von Gott „gesegnet“ sein heißt, wohin man tritt, in jeder Lebenslage, Segen, Güte, Treue spenden – Demut vor Gott, selbstlose hingebungsvolle Liebe zu seinen Geschöpfen erhalten die Welt. Diese Grundpfeiler der Welt zu errichten war und ist Israels Aufgabe. – Mann und Frau, Frau und Mann haben diese Pflicht in gleicher jüdischer Treue übernommen. Diesem Ideal dient auch unsere ernste, prüfungsreiche, Theresienstädter Arbeit… Diener Gottes zu sein, als solche rücken wir aus irdischen in ewige Sphären.“ Regina Jonas wurde 1944 in Auschwitz ermordet.
Schabbat
Es begann mit den Wachteln und dem Manna. Wir kennen diese Geschichte aus dem 2. Buch Mose: Das Volk zog durch die Wüste von Ägypten nach Kanaan. Gott ernährte sein Volk mit Manna und Wachteln, die vom Himmel fielen. Ein kleines Detail aus dieser Geschichte wird manchmal übersehen: Jeden Tag sollte das Volk Israel Nahrung sammeln, am sechsten Tag jedoch doppelt so viel, weil es am siebten Tag diese Wüstennahrung nicht geben werde. Am sechsten Tag sollte für den siebten Tag vorgekocht werden. Gott versprach, dass das Essen haltbar bleiben und nicht verderben werde. Der siebte Tag sollte ein Tag der Ruhe sein – weil Gott es so wollte. Natürlich probierten es einige aus und sammelten am sechsten Tag nicht doppelt. Aber: Am siebten Tag gingen sie tatsächlich leer aus.
Nach dem ersten Test während der Wüstenwanderung wurde das Gebot, einen Tag in der Woche innezuhalten, eines der Zehn Gebote. (H1) Von diesen Geboten gibt es in der Bibel zwei Fassungen, im 2. und im 5. Buch Moses. Zunächst das 4. Gebot in der ersten Fassung:
Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.
Mose begründete das Gebot damit, dass der Herr von seiner Arbeit am siebten Tage ruhte und dass sich sein Volk an einem Ruhetag in der Woche an Gott als den Schöpfer und an die Wunder seiner Schöpfung erinnern soll.
Im 5. Buch Mose wird die Begründung für die Sabbatruhe erweitert: Juden sollen sich am Schabbat auch daran erinnern, dass sie selbst einmal Knechte waren und sich entsprechend gegenüber den Fremdlingen die bei ihnen lebten, verhalten sollten. Wörtlich heißte es hier: … Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Rind, dein Esel, all dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt, auf dass dein Knecht und deine Magd ruhen gleichwie du. Denn du sollst daran denken, dass auch du Knecht in Ägyptenland warst und der HERR, dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm. Darum hat dir der HERR, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst.
„Was bedeutet für Jüdinnen und Juden den Sabbat „heiligen“? Entspannung gehört dazu … Selbst das Vieh hat ein Recht auf Ruhe und erst recht der Fremdling. Nur wenn absolute Ruhe die Welt eines Juden durchdringt, kann die Heiligkeit des Sabbat auf sie herabsteigen.“
Es geht am Schabbat „nicht nur um ein normales Niederlegen der Arbeit. Das ist nur der Anfang der Sabbatheiligung. Sein eigentliches Wesen besteht in dem zeremoniellen Verzicht auf alle Tätigkeiten, selbst die leichtesten, gleichgültig ob man etwas anfangen, weiterführen oder vollenden will. … Die Überlieferung, die auf mosaische Zeiten zurückgeht, führt 39 Tätigkeiten auf, die untersagt sind.“ Der Schabbat „ist nicht einfach nur ein freier Tag,(…), er verwandelt jede Woche 24 Stunden in eine ganz besondere Zeit, die sich in ihrer Stimmung, ihrer Beschaffenheit, ihrem Handeln und ihren Ereignissen vom täglichen Leben absetzt.“
Während der Wüstenwanderung gebot Mose dem Volk: „Sehet, der HERR hat euch den Sabbat gegeben; darum gibt er euch am sechsten Tage für zwei Tage Brot. So bleibe nun ein jeder, wo er ist, und niemand verlasse seinen Wohnplatz am siebenten Tage.“ Die daraus abgeleitete konservative Forderung: „Um den Sabbat einzuhalten, muss man folglich zu Hause bleiben. Der Verzicht auf jegliche Arbeit allein genügt nicht, man muss auch ruhen, und das bedeutet so viel, dass an einem Tag in der Woche der Kreis von Familie und Haus wiederhergestellt wird, in dem jeder zu Hause und alles an seinem Platz ist“ wird heute von vielen Juden nicht eingehalten oder kann nicht eingehalten werden. Dennoch gelingt es gläubigen Jüdinnen und Juden auch im Urlaub fern der Heimat, den Schabbat eindrucksvoll und feierlich gestalten können – so, dass es eben kein normaler Urlaubstag bleibt.
Mit fortschreitender Entwicklung war es erforderlich, dass die Rabbiner die am Schabbat untersagten Tätigkeiten immer wieder neu definieren. An diesen Festlegungen scheiden sich oft die Geister: Ist es schon Arbeit, wenn ein Lichtschalter betätigt wird? Ist die zulässige Wegstrecke, die ein Jude am Schabbat zurücklegen darf, immer noch 900 m, d.h. 2.000 Ellen? Darf ich am Schabbat Auto fahren? Was ist erlaubt, wenn Krankheit eintritt?
Solche Festlegungen werden von ihren Glauben praktizierenden Juden unterschiedlich gelebt. Grundsätzlich gilt jedoch: „Alle Beschränkungen, die das Sabbatgesetz ausspricht, sind in Notfällen wie Krankheit, Katastrophenfall, Lebensgefahr usw. aufgehoben. Wenn der Glaube an einen einzigen Gott die erste Schicht des jüdischen Fundaments ist, dann ist der gesunde Menschenverstand die zweite Schicht. Die Bestimmung dessen, was als Notfall zu gelten hat, ist streng, aber realistisch. Gefahr für Leib und Leben ist ein Notfall. Gefährdung eines Geschäfts, das viele tausend Dollar einbringen kann, ist keiner.“
Der Schabbat beginnt am Freitagabend mit dem Sonnenuntergang. Vielleicht besucht ein religiös aktiver Jude noch kurz einen Gottesdienst in der Synagoge, dann beginnt zu Hause im Kreis der Familie ein festliches, mit alten Traditionen erfülltes gemeinsames Essen. Kerzen werden angezündet, über den Speisen werden Segenssprüche durch die Hausfrau und den Hausvorstand gesprochen, es werden Lieder gesungen, es wird geredet, gelacht, Wein getrunken. Und keiner aus der Familie kann sich mit dem Vorwand, arbeiten zu müssen, diesem Zusammensein entziehen. Die Kinder können den Eltern all die Fragen stellen, für die in den Tagen davor keine Zeit war; die Eltern können dem Gespräch nicht ausweichen – und umgekehrt.
Der Höhepunkt des Schabbats ist der Morgengottesdienst am Samstag. Er beginnt mit der Verlesung eines Abschnitts der schriftlichen Thora, der fünf Bücher Mose. Der Schabbat ist ein wöchentliches Fest der Schöpfung, mit der Lesung der Thora auch ein wöchentliches Fest der Offenbarung. In jedem Jahr wird, in Wochenabschnitte unterteilt, die Thora vollständig gelesen. Am Ende des Laubhüttenfestes beginnt mit dem Fest der Thorafreude „Simchat Thora“ die Lesung wieder von vorn.
Den Schabbat erfüllt eine innere Heiterkeit, die sich auch in der Musik ausdrückt. Aus urheberrechtlichen Gründen kann hier kein passender Einspieler gezeigt werden. Ihr findet in der Fußnote im Artikel „Grundlagen“ einen Link zu Vorträgen des Psalms 24, der oft bei der Einhebung der Thorarolle gesungen wird. Aufnahmen aus verschiedenen Synagogen lassen die Freude des Schabbats erahnen.
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